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Afrika singt, tanzt und lacht – auch angesichts des Elends

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Besuch unseres Projektes im Januar 2009

Anflug auf Entebbe. Nach einem neunstündigen Flug beginnen die Passagiere sich zu strecken und recken. Ich blicke etwas scheel in die Businessklasse, wo sich die Passagiere komfortabel einrichten können. Entsprechend schlägt sich der Komfortunterschied im Preis nieder. Die Businessklasse kostet hin und zurück etwa 3500 Franken mehr. Da nehme ich die Holzbank in der Economy in Kauf. Der Airbus sinkt durch die Wolkendecke, unter uns der Lake Victoria und leicht Backbord voraus die Landepiste des Flughafens Entebbe. Rund um mich nehmen die Gesichter einen erwartungsfrohen Ausdruck an. Das Aussitzen des langen Fluges nimmt ein Ende. Die Landebahn liegt beinahe greifbar unter uns, gleich setzen wir ... da ein dumpfes Ächzen und Zittern: Der Pilot startet mit Vollschub durch. Die Anfluggeschwindigkeit mit unerwartetem achterlichen Wind sei zu hoch und riskant zum Absetzen gewesen. Die Passagiere schauen etwas betreten einander in die Augen. Nach einer 10minütigen Volte klappt es mit einem harten Aufsetzer aber dennoch.

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Heute reibe ich mir erstaunt die Augen: Vor sechs Jahren waren wir beinahe die einzigen Weissen unter den Passagieren. Heute wimmelt es von Weissen. Innerhalb von sechs Jahren ist der Touristenstrom in Uganda von einigen Tausend auf 500000 Touris angewachsen.

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Politik auf afrikanisch        

Die Kongolesen, Ugander und Ruandi haben sich militärisch zusammen getan, um die verschiedenen Rebellengruppen - Tutsi im Ostkongo, Lord’s Resistance Army unter Kony in Norduganda - in ihren gemeinsamen Grenzgebieten zu bekämpfen. Nur friedliche Verhältnisse garantieren eine erfolgreiche wirtschaftliche Aufbauarbeit. Diese drei Staaten operieren recht erfolgreich. Über die Opfer der letzten 10 Jahre Bürgerkrieg im Ostkongo, Norduganda und Westruanda liegen Schätzungen von bis zu 4,5 Mio Toten vor. Momentan sieht die Entwicklung recht vielversprechend aus. Die Verhaftung des Tutsi-Rebellen-Generals Nkunda im Januar 2009 wird auf die Grossen-Seen-Region (Lake Victoria, Lake Albert und Lake Edward) in Ostafrika stabilisierend wirken.

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China und die arabischen Staaten sind in Schwarzafrika sehr umtriebig. Besonders Libyens Gaddhafi versucht seinen Einfluss mit allen Mitteln zu vergrössern. Er träumt von den Vereinigten Staaten Afrikas mit einem starken Präsidenten an der Spitze...  Die meisten schwarzafrikanischen Republiken verfügen über Parlamente und Regierungen nach europäischem Muster. Gleichzeitig sind diese Länder in Monarchien aufgeteilt. Uganda besteht z.B. aus fünf Königreichen. Diese Könige besitzen zwar kaum politische Macht, doch spielen sie für das soziale Netzwerk, für das tägliche Zusammenleben, eine bedeutende Rolle. Ihre Untergebenen hören auf den Rat ihres Königs. Nun hatte Gaddhafi rund 100 afrikanische Könige und Scheichs zu einer panafrikanischen Konferenz in Kampala für das letzte Januarwochenende eingeladen. Die rechtmässige ugandische Regierung liess dieses Ansinnen per Dekret platzen. Keine Machtnahme durch die Hintertüre!

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Allerdings sind auch die Regierungen für Tricks anfällig. Vielleicht muss wieder einmal die Verfassung geändert werden (Uganda), damit eine präsidiale Amtszeit angehängt werden kann. Für den aufmerksamen Beobachter sind die politischen Prozesse spannend zu beobachten. Der demokratische Musterknabe Afrikas ist derzeit Ghana.

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Schulen, Bildung ist das Lebenselixier der jungen Demokratien. In Uganda sind es die jungen, gebildeten Menschen, die sehr starken Druck auf ihren Präsidenten Museveni ausüben und ihm kritisch gegenüber stehen. Ob diese oder jene Wahlen vielleicht etwas frisiert sind, mag sein. Wichtiger ist jedoch, dass ein Land eine freie Presse kennt. Uganda hat eine regierungsnahe (The New Vision) und eine regierungskritische (The Monitor) Tageszeitung. Die Diskussion über die Regierungspolitik wird schwungvoll und kontrovers geführt. Ohne freie Presse, keine demokratische Entwicklung.

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Projekte

Der Vereinsvorstand der Seroma Christian High School and Gilgal Primary School, Uganda hat mich beauftragt, die im Jahre 2008 verwirklichten Projekte zu überprüfen und abzurechnen. Zudem stehen wichtige Gespräche über die mittelfristige Entwicklung unserer Gilgal Primary School an.  Ich werde dieses Jahr von Peter Preisig, dem CEO der Preisig AG, Haustechnik-Spenglerei-Bedachungen, Zürich begleitet. Die neu gebauten sanitären Anlagen wurden von der Firma Preisig AG, Zürich finanziert. Sie tat dies im Rahmen ihres 75-Jahre-Jubiläums. Gleichzeitig rief die UNO das Jahr der „sanitären Versorgung“ (Year of Sanitation) aus. Das Ziel ist die Versorgung der 3.Weltländer mit sauberem Trinkwasser.

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Auch letztes Jahr durften wir mit der grosszügigen Hilfe unserer Spender eine ganze Reihe von Projekten erfogreich gestalten: 

  • acht Toiletten mit Lavabos, acht Duschen, ein 12000-Liter-Wassertank, Wasserversorgung in der Küche und für die Dorfbevölkerung von Namaliri und eine kleine Kläranlage wurden installiert.

  • Die Landwirtschaft entwickelt sich wegen der ausgebliebenen Regenzeit sehr langsam. Trotzdem werden Ende August die ersten Kassawas geerntet werden.

  • Auch das neu erworbene Gemüse-Bananenfeld (Matoke, Bananengemüse) erleichtert die Versorgung der Schule.

  • Zum Schutze unserer Mädchen und Einrichtungsgegenstände haben wir einen Schutzzaun um die Schule gebaut. Die Dunkelziffer von Vergewaltigungen ist in Schwarzafrika sehr hoch und wir wollen unsere Kinder möglichst gut schützen. Auch der ugandische Staat unternimmt grosse Anstrengungen gegen diese Verbrechen.

  • Die Basis-Stromversorgung ist eingerichtet.

  • Mit der Waisenhauserweiterung wurde begonnen.

  • Die laufenden Kosten für den Schulbetrieb konnten gedeckt werden. Heute leben 500 Menschen, unterstützt von unserem Verein, in der Gilgal Primary School. Der Betrieb (Essen, Löhne für Lehrpersonal und Aufsicht und medizinische Versorgung (151 unserer Kinder sind HIV+ und werden mit retroviralen Mitteln behandelt) kostet uns etwa Fr. 4500.- pro Monat. Ein Kind leidet an Elefantitis, bei einem muss ein Tumor entfernt werden. Für die Spitalkostendeckung suchen wir Sponsoren.

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Wir sind unseren Sponsoren sehr dankbar für die geleistete Hilfe! Mit leisem Stolz dürfen wir sagen: Jeder Franken ist wohl investiert.

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Lake Kyoga

Der Bodensee liesse sich problemlos dreimal im Kyogasee versenken. Die ostafrikanischen Seen erreichen oft grosse Ausmasse. Allein der Lake Victoria ist eineinhalbmal so gross wie die Schweiz (60000 km2). Wir gehen für zwei Tage auf Kurzexpedition. Zur Ausrüstung gehören ein geländegängiges Auto, Sonnen- und Malariaschutz. Viel Trinkwasser ist unabdingbar. Kaum lassen wir die Aussenbezirke Kampala hinter uns, dringen wir auf ruppigen Pisten in den Busch ein. Von der Vegetation Äquatorialafrikas spüren wir nicht sehr viel, weil Uganda etwa 1300 m über Meer liegt. Unser Fahrer ist Vollprofi. Geschickt überwindet er, wenn auch mit „Grüssen“ vom Wagenboden, alle Hindernisse. Der Kyogasee wird touristisch als nicht lohnendes Ziel beschrieben. Das war unser Anreiz. Wir entdeckten wunderbare Buschlandschaften mit sehr urtümlichen Dörfern. Die Dörfer bestehen aus Rundhütten. Rund um das Dorf befindet sich der Ackerbau. Kühe und Ziegen weiden in der Nähe des Dorfes. Im Gegensatz zur Stadt Kampala sind diese Dörfer im Busch sehr sauber. Plastik und anderer „Zivilisationsabfall“ fehlt gänzlich. Das ist sehr wohltuend. In der Nähe des Fischerdorfes Lwampanga werden wir mit Einheimischen handelseinig: Wir kriegen eine Bootsfahrt im Kanu für sieben Schweizer Franken. Dank unserem Fahrer können wir uns mit den Einheimischen über Englisch –Luganda unterhalten. Die meisten Seen sind heute nicht mehr so fischreich wie noch vor zehn Jahren. Der Nilbarsch ist der häufigste Fisch. Seine Zucht wird aber heute zurückhaltender betrieben, weil er andere Fischarten beinahe zum Verschwinden gebracht hat.

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Uganda ist ein Ornithologen-Paradies. In den Sümpfen finden sich Dutzende von Vogelarten. Besonders eindrucksvoll steht vor uns ein etwa 1,4 m grosser Vogel mit einem riesigen, beinahe unförmigen Schnabel: ein shoebill, auf deutsch Schuhschnabel. Dieser Vogel muss besonders gut geschützt werden. Bis zur Geschlechtsreife vergehen 15 Jahre, dann legt er bis zu seinem Tod alle zwei Jahre zwei Eier. Der Schuhschnabel erreicht ein Alter von etwa 25 Jahren.

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Streiflichter

Wir haben den ganzen Tag nichts gegessen. Beim Anblick eines Früchtestandes entlang der Strasse beginnt unser Magen zu knurren. Wir verpflegen uns mit herrlichen Ananas, Mangos, Papaya und Fingerbananen. Am Baum gereifte Früchte schmecken einfach anders.

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Auf dem Rückweg nach Kampala fahren wir durch viele Dörfer, grosse und kleine. Das Leben findet in Ostafrika vor dem Haus statt. Polstergruppen, Eisentore, Bettgestelle, Tische, jede erdenkliche Art von Gebrauchsgegenständen findet der suchende Käufer auf den Plätzen oder in den Wiesen vor den Häusern. In der Nähe unserer Gilgal Primary School, zwischen Namaliri und Mukono, fallen mir die vielen Särge auf, welche der Strasse entlang zum Verkauf angeboten werden, von der einfachsten Holzkiste bis zum Komfortmodell mit Ausguck. Mein Fahrer erklärt mir, dass es in dieser Gegend besonders viele Aidsopfer gebe.

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Kaum ein Tag vergeht, ohne dass in den Zeitungen die Ritualmorde an Kindern angeprangert werden. Letztes Jahr sind in Uganda allein 154 Kinder rituellen Morden zum Opfer gefallen (die Dunkelziffer ist höher). Animistische Fruchtbarkeitsriten und Witchcraft (Naturreligion) bilden den Hintergrund dieser Morde. Der ugandische Staat will diese Praktiken in Zukunft mit dem Tod bestrafen. Dem letzten Opfer, einem 12jährigen Knaben wurden im Dezember 2008 in Masaka der Kopf und die Geschlechtsteile abgeschnitten.

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Erstaunlich, Afrika singt, tanzt und lacht auch angesichts des Elends und während der Finanzkrise.

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Einweihungsfeier in der Gilgal Primary School

Hunderte von Kindern und Witwen säumen die Strasse, welche zur Gilgal Primary School führt. Peter Preisig und ich sind in ugandischer Nationaltracht, im cansu, gekleidet. Ich staune jedes Jahr, mit wieviel Energie und Freude an unserem Empfang gearbeitet wird. Verschiedene Klassen tanzen und singen, die Rhythmusgruppe beginnt unsere Herzrfrequenz zu bestimmen und nach und nach nimmt unser Körper die Bewegungen der Anwesenden auf und setzt unsere Glieder in diskrete Schwingungen. Es ist wieder einmal Afrika pur. Die Bewohner von Gilgal und im angrenzenden Dorf Namaliri sind beinahe ausser sich: fliessendes und sauberes Wasser, Toiletten, Duschen usw. Hygiene ist kein Fremdwort mehr. Immer wieder wird betont, dass auch in Zukunft mit dem kostbaren Nass sehr sparsam umgegangen werden wird.

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Die Anlagen sind solide gebaut. Zugegeben: ein afrikanischer Fliesenleger könnte in der Schweiz noch einiges lernen. Nächstes Jahr werde ich dem Handwerker eine Wasserwaage schenken.

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Die Witwen von Namaliri beschenken uns reich mit selber geflochtenen Körben und Teppichen, zwei Dutzend Eiern, viel Gemüse und Früchten. Arme Leute sind ein Tag später in den Genuss dieser Geschenke gekommen, nur die Körbchen haben den Weg in die Schweiz gefunden. Wir sind „im Innern Afrikas“ voll angekommen.

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Am folgenden Tag gilt es eine Reihe von Massnahmen zu besprechen. Der Unterhalt der Anlagen wird akribisch genau geregelt. Dazu gehören Abklärung der Zuständigkeit, Reinigungsrhythmus, Instandhaltung und Ausbildung der Kinder. Jeder Lehrer verfügt über einen Lehrgang zur richtigen Nutzung von WCs und Duschen. Die Lehrer müssen kontrollieren, in welchem Zustand Toiletten und Duschen hinterlassen werden.. Die WCs werden dreimal und die Duschen zweimal pro Tag vom Wachtmann gereinigt. Schmutzige Anlagen werden zum Gesundheitsrisiko. Bis anhin hat der Unterhalt der Schuleinrichtungen gut geklappt. Ich bin auch jetzt zuversichtlich, denn wir arbeiten mit sehr zuverlässigen Partnern in Uganda.

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Wir bewundern unseren Schulleiter Murenzi und sein Lehrerteam. Die schutzlosen Waisen sind ihnen ein Riesenanliegen. Nach dem Unterricht helfen sie in der Betreuung der Kinder. Da bleibt kaum Zeit für Hobby oder Freizeitgestaltung. Wollen die Kinder in der Gesellschaft bestehen, so brauchen sie eine Schulbildung, handwerkliche Bildung oder ein Studium. Bildung schützt vor unerlaubter Kinderarbeit, Arbeitslosigkeit und Prostitution.

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Das an die Gilgal Primary School angrenzende Dorf konnte direkt von unserer Wasserversorgung profitieren. Wohl aus diesem Grunde identifizieren sie sich mit der Primarschule.

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Entwicklungsarbeit in Afrika

Sogar korrupte Machthaber wettern in Afrika gegen die Korruption. Sie existiert. Im Umgang mit Geld ist grosse Sorgfalt geboten. Trotzdem ist es zu billig zu sagen, alles sei derart korrupt, dass alle Anstrengungen nichts nützten. Mit solchen Behauptungen dürfen wir unseren eigenen Geiz nicht entschuldigen. Wir kennen eine Reihe von Organisationen, welche sehr erfolgreiche Aufbauarbeit leisten. Die Projekte müssen in allen Einzelheiten vorbereitet werden und überschaubar bleiben, die Zuständigkeit muss geregelt sein. Auch in Uganda gibt es integere Ansprechpartner. Wir haben verschiedene fähige Partner, die uns bei der Kostengestaltung und Projektaufsicht beiseite stehen.

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Wir beklagen schlimme politische Zustände in afrikanischen Ländern. Aber haben wir vergessen, dass der ugandische Schreckensdiktator Idi Amin von den Engländern gegen den Sozialisten Julius Nyerere von Tanzania an die Macht gehievt wurde? Jean-Bédel Bokassa, die zentralafrikanische Witzfigur als Kaiser (1979) hätte ohne die tatkräftige Unterstützung durch die Franzosen keine Chance gehabt. Ausländische Geheimdienste und Geldgeber haben wiederholt üble Machthaber in Stellung gebracht. Am Schluss bezichtigen wir die Afrikaner der Unfähigkeit, ohne für unser Tun die Verantwortung übernehmen zu wollen. So beinhalten die Entwicklungshilfegelder 2007 des schwedischen Staates für Uganda die Waffenlieferungen der schwedischen Waffenfabrik Bofors für die ugandische Armee. Italiens „Entwicklungshilfe“ setzte einen Teil seiner landwirtschaftlichen Überschussproduktion im Sénégal ab, was die senegalesische Landwirtschaft teilweise ruinierte. Geben sich europäische Misswirtsschaft und afrikanische Korruptionsanfälligkeit die Hand, so ist des Teufels Pakt besiegelt. Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Was läuft alles unter Entwicklungshilfe? Grossmachtkalkül und Protektion der eigenen Wirtschaftsinteressen finden allzu oft den Weg in die „Entwicklungsarbeit“.

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Transparenz

Wir freuen uns über die Begleitung unserer Sponsoren auf unseren Reisen nach Uganda. Bis jetzt wurden wir von acht unserer Sponsoren nach Uganda begleitet. Alle Ugandabesucher waren von dieser Arbeit tief beeindruckt. Sie sahen den realen Gegenwert ihrer Investitionen. Was gibt es Schöneres, als mittellosen Menschen zu einem Bett, Nahrung und Bildung zu verhelfen? Unsere Kinder strahlen trotz ihrer fehlenden Familien Hoffnung aus. Transparenz ist unabdingbar und stellt unserer Arbeit ein gutes Zeugnis aus. Uns ist wichtig zu zeigen, was durch gute Entwicklungsarbeit und mit relativ bescheidenen Mitteln alles erreicht werden kann.

 

Peter Schnyder, Präsident

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