top of page

Uganda 2011

​

Wie gewohnt wartet um 8 Uhr morgens Kalyango, unser zuverlässiger Fahrer, am Flughafen. Mit sicherer und ruhiger Hand lenkt er uns durch das Verkehrsgewühl. Die Temperaturen sind am Ende der Regenzeit sehr angenehm, etwa 25°C. Die Termingestaltung unseres zweiwöchigen Ugandabesuchs lässt keine touristischen Aktivitäten zu. Der überraschend verstorbene Schulleiter, Pascal Murenzi hinterlässt eine grosse Lücke, persönlich und administrativ. Wir sind gefordert: Sitzungen, Vertragserläuterungen, juristische Probleme lösen, Schulsorgen und –probleme besprechen, Zustand der Gebäude, Anlagen, Geldfluss und Landwirtschaft überprüfen, neue Projekte aufgleisen, Inventar der Gilgal Primary School erstellen, die Arbeit der neuen Schulleitung evaluieren, Einweihung neu erstellter Gebäude mitgestalten, administrative Abläufe möglichst klar und trotzdem einfach gestalten usw. Das sind unsere Aufträge für diesen Besuch. Das braucht Zeit und Geduld.

​

Unsere 17 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten 460 Waisen und Halbwaisen. Zu unserem Personal zählen eine Köchin, ein Koch, drei fest angestellte Hausmütter (matrons), ein Schulsekretär, ein Wachmann und ein mit einer Flinte ausgerüsteter, staatlicher Wachmann. Die Kinder sind in neun Klassen eingeteilt: Zwei Vorschulklassen und sieben Primarklassen (P1 bis P7). Jedes Jahr verlassen etwa 50 bis 60 Kinder die Gilgal Primary School. In Uganda gilt Schulpflicht und für die Eltern Zahlpflicht. Auch Staatsschulen sind nicht gratis. Trotz Schulpflicht sind immer noch viele Kinder Analphabeten. Ohne Schreiben, Lesen und Rechnen gibt es kaum Arbeit, zudem lauert die Gefahr der Ausbeutung und der politischen Manipulation. Die Gilgal Primary School ist dank unserer Sponsoren gratis, weil viele Kinder gar keine Eltern haben. Mehr als 50% der Schulabgänger von staatlichen Schulen haben kaum eine Perspektive. Die Secondary School und das Vocational Training (Berufsbildungsschule) sind ganz einfach zu teuer. Wir versuchen unsere Kinder in charitativen Organisationen weiterzubilden oder in eine Berufsausbildung zu schicken. Das kostet Geld. Gute Berufsleute sind gefragt. Wir werden am Dienstag, 26. April von unseren Schülerinnen und Schülern offiziell willkommen geheissen: Viele stehen Spalier, andere glänzen mit traditionellen ugandischen Tanzeinlagen. Im Gemeinschaftsraum lassen wir uns zu einer vierstündigen Willkomm-Party nieder. Es folgen Musik- und Gesangseinlagen, zuweilen unterbrochen von verschiedenen Dankesreden auf Luganda und Englisch Nach schwülheisser Witterung und stechendem Sonnenschein platzt ein Gewitterregen über uns, der unserer Livemusik akustisch ernsthafte Konkurrenz macht. In Uganda gilt: Regen ist ein Segen. Wie jedes Jahr eröffnen wir neue Räume: Der neue Nurseryblock, wo die drei- bis sechsjährigen Kinder unterrichtet werden und die neuen Lehrerquartiere müssen eingeweiht werden. Die Firma „holzpunkt“ in Wila hat uns mit einem grossen Beitrag geholfen, diese Projekte zu realisieren. Die Sternsänger der Kirchgemeinde St. Alexander in Aadorf ersangen soviel Geld, dass wir damit das Innenleben der Schulzimmer finanzieren konnten. Jede Lehrkraft hat heute ein eigenes Schlafzimmer mit einer kleinen Stube (11m2). Unsere Lehrer wohnen in der Schule, weil sie auch ausserhalb der Schulzeit den Kindern gegenüber zusätzliche Verantwortung übernehmen. Ein besonders leckeres Essen bildet den Abschluss des Nachmittags: Zum Gemüsereis gibt es eine feine Bohnensauce und beim genauen Hinschauen entdeckt man sogar ein Ministück Rindfleisch. Das alles wird ohne Hilfsmittel gegessen, d.h. wir schauen verstohlen nach links und rechts um herauszufinden, ob die rechte oder linke Hand als Besteckersatz dient. Allerdings werden die Hände am Tisch mit frischem Wasser gewaschen – und dann geht es los. 

​

Die Schule hinterlässt einen guten Eindruck und die Verantwortlichen leisten einen bewundernswerten Einsatz. Ein Dorfbewohner aus Namaliri hat in unserer neuen Küche eine tolle, holzsparende Feuerstelle erstellt, wo wir gleichzeitig mit einem 100- und zwei 60-Litertöpfen kochen können.. Wir schätzen an unseren Partnern, dass sie nicht für jede Handreichung Geld erwarten. Was sie selber an die Hand nehmen können, wird angepackt...

​

Die schweren tropischen Regenfälle setzen unseren Bauten mehr zu, als uns lieb ist. Wir müssen die Dächer mit Dachrinnen ausrüsten, um die Pflästerung der Gehwege zu schützen. Gleichzeitig werden wir das Wasser in sieben 10000-Liter-Tanks auffangen, welches zum Kochen und Begiessen der Pflanzen dient.

​

Wir brauchen den Ugandern keine Lebensmittel zu bringen. Sie brauchen Bildung und Wissen, wie sie sich selber helfen können. Wir fordern von den Drittweltländern weniger Korruption und mehr Demokratie? Nur ein breites Bildungsangebot kann diese Gesellschaften auf diese Bahn bringen. Nahrungsmittel werden knapp oder künstlich verknappt. In der Zweiten und Dritten Welt hat ein Wettlauf um Agrarflächen eingesetzt. China, Indien, Saudi Arabien und riesige internationale Investmentfonds kontrollieren mehr und mehr Anbaugebiete. Zu gelbem Gold, weissem Gold (Wasser) und schwarzem Gold (Öl) gesellt sich neuerdings grünes Gold (Agrarprodukte) für Investoren. Afrika steht an der Schwelle neuer, noch offener Entwicklungen. Die aufflackernden Unruhen in Nordafrika, im arabischen Raum und jetzt auch in West- und Ostafrika künden Veränderungen an.

​

Projekte

Kalyango fährt uns zu einem Computershop. Damit die Kommunikation künftig noch besser funktioniert, kaufen wir dort einen HP-Officejet für etwa 115 CHF, faxen, drucken, kopieren und scannen in einem. Die neue Tastatur für einen PC kostet nicht einmal 4 CHF. Die gesamte Elektronik wird aus Dubai und den USA importiert und ist teilweise billiger als in der Schweiz. Die Stromversorgung in Uganda gleicht eher einer Lotterie. Die ständigen Stromausfälle machen den Menschen zu schaffen. Vor zwei Monaten blieb unsere Schule während 14 Tagen ohne Strom. Unser 10000-Litertank konnte wegen dem Ausfall der elektrischen Pumpe nicht mehr gefüllt werden, das Wasser musste mühsam aus 500 Meter Entfernung herbeigeschleppt werden. Uns wird in einem Devi eine solare Energieversorgung für 20 Räume, Computer und Drucker für CHF 5500.- angeboten. 15 Jahre Garantie. Mit der Wasserpumpe und Installationskosten müssen wir knapp 10000 CHF investieren. Der Wunsch nach einer konstanteren Energieversorgung ist verständlich. Dies entspricht auch einem Sicherheitsbedürfnis der Kinder und der Schule. Doch wollen wir die Energie mit natürlichen Ressourcen sicherstellen und das Verbraten von Diesel für den Generator verhindern. Wir studieren den Bau einer ambulanten Behandlungsstation für die Schule und die Dorfbevölkerung. Kinder mit Infekten und ansteckenden Krankheiten müssen von ihren Kolleginnen und Kollegen getrennt werden. Gleichzeitig leisten wir einen Beitrag an die Gesundheit der im Umkreis der Schule lebenden Bevölkerung.

​

Landwirtschaft

Ein grosser Tag. Wir statten unserer Landwirtschaft einen Besuch ab. Wir wollen unsere Schule vom unberechenbaren Nahrungsmittelmarkt unabhängig machen. Nur Harriet, die Schulleiterin, begleitet uns, damit Kalyangos Auto keine zu heftigen Schläge auffangen muss. Auf der 30minütigen Fahrt sehen wir, wie die meisten Ugander leben: in Rundhütten und einfachen Häuschen, ohne Strom, zentrale Wasserpumpstellen und „Naturtoiletten“. Dafür ist die Umgebung der Hütten sauber und aufgeräumt, ohne die elenden Plastiktüten, die uns sonst von Nordafrika bis Südafrika und quer durch Südamerika begleiten. Übrigens: Ruanda ist das einzige Land, welches Plastiksäcke und -tüten verbannt und verboten hat. Touristen mit Plastiksäcken müssen diese am Flughafen Kigali bei der Einreise abgeben und mit Papiertaschen Vorlieb nehmen, eine gute und funktionierende Idee. Nachahmenswert. Wir werden durch den guten Zustand unserer Ackerflächen sehr, sehr positiv überrascht. Viele fleissige Hände sind an der Arbeit. Unser Bauer Amos hat die Oberaufsicht und den Laden im Griff. Wir beobachten, wie die Ananaspflanzen auf einem Riesenfeld eine nach der andern sorgfältig begossen werden. Unsere Leute praktizieren „Intercropping“. Nach einem ausgeklügelten System werden geeignete Pflanzen neben grösseren gepflanzt, z.B. Mais, Bohnen und Tomaten. So profitieren Bohnen und Tomaten vom Schatten der Maispflanzen, was das Austrocknen verhindert. Die neue Schulleiterin hat auf eigene Initiative einige ihrer Ziegen verkauft, um Mais- und Bohnensaatgut zu kaufen. So hat sie auch Frucht-, Matokebäume und Gemüse auf dem Schulareal gepflanzt. Wir sind stolz auf unsere Freunde. Sie sind aktiv und warten nicht nur auf unsere finanzielle Hilfe. Sie betrachten diese Arbeit als ein Joint Venture – und diese Zusammenarbeit klappt sehr gut. Nach unserer Ankunft in Gilgal besprechen wir noch die zukünftigen Projekte und nehmen von unseren Partnern Abschied. Sie lassen uns nur ungern gehen, freuen sich aber schon auf den nächsten Besuch, hoffentlich mit Sponsoren. 

​

Peter Schnyder Präsident des Vereins Seroma Christian High School und Gilgal Primary School, Uganda

bottom of page